Skip to main content

Egal, mit wem man spricht: Die Fachkräftekrise spürt derzeit jedes Unternehmen. In der Optik ist das eine doppelte Herausforderung: Fehlen qualifizierte Kräfte, leiden die technische Kompetenz und der Kundenservice. Es lohnt sich deshalb, die Rekruting-Strategien der Profis kennenzulernen: Hier werden Talente bereits beobachtet, bevor man sie benötigt. Ein Beitrag von Rekruting-Expertin Nilgün Aygen.


„Weiterbildung? Ist natürlich wichtig, aber Präsenzveranstaltungen kommen für uns kaum noch in Frage. Von drei Leuten, die ich hinschicke, wird einer abgeworben. Diese Fluktuation ist auf Dauer nicht nur nervig, sondern auch teuer.“ Mit diesem Stoßseufzer steht der unbekannte Optiker nicht allein auf weiter Flur. Die immer wieder neue Mitarbeitersuche und Mitarbeitergewinnung, das wiederholte Einarbeiten in das individuelle Unternehmen und das stete wieder knifflige Vertrautmachen mit den anspruchsvollen Kunden kostet viele Ressourcen, die man viele lieber und lukrativer direkt in Marketing, Service und Verkauf investieren würde.

„Heute kann ja jede gute Kraft innerhalb von zwei Monaten gehen. So schnell ist adäquater Ersatz mehr als Glückssache. Der Markt ist leergefegt, und findet man mal eine oder einen Guten, sprengen die Gehaltsvorstellungen jedes Budget.“ 

Wer sich derart äußert, hat eine wichtige Lektion bereits schmerzhaft gelernt: Vielversprechendes Recruiting und Onboarding dauern erheblich länger, als man denkt. Die Stellen bleiben zu lange unbesetzt, die verbliebenen Mitarbeiter müssen an ihre Grenzen gehen und die Wartezeiten erhöhen sich drastisch, was immer wieder Kunden kostet.

Fühler ausstrecken, bevor Bedarf entsteht

Auch in der Optik beginnt die Zeitschiene von der Suche, über die Kontaktaufnahme, die Einladung zum Gespräch und die Evaluierung von Jobkandidaten bis zur Einstellung erst, wenn sich akuter Einstellungsbedarf manifestiert. Und bei Weitem nicht immer kann man ausschließlich auf externe Faktoren verweisen.

Oft hat man schlicht nicht erkannt, woher der Wind bei manchen Mitarbeitenden weht, hat nicht richtig hingehört, wenn fast beiläufig von möglichen Umzugsplänen, von Anfragen über LinkedIn, der Idee eines Vorruhestands oder vom Traum späterer Selbstständigkeit die Rede ist. Denn was sich heute noch beiläufig oder launig anhört, wird morgen akut und reißt eine Lücke, die sich nur schwer gleichwertig schließen lässt.

Auch wenn es keinen exklusiven Fundus geben kann, aus dem man sich immer wieder die benötigten Topleute zieht, ist es doch möglich, einen Pool von gut ausgebildeten und motivierten Talenten im Auge zu haben, die dem Unternehmen gewogen sind und bei Bedarf gerne einen Wechsel erwägen.

Link zum Artikel



Movie

Buch Details

  • Autorin

    Nilgün Aygen
  • Herausgeber

    Wiley-VCH Verlag
  • Sprache

    Deutsch
  • ISBN-10 ‏

    352751113X
  • Erschienen am

    Oktober 8, 2022

Bücher

Recruiting Revolution

Wiley-VCH Verlag

Die Besten für den Vertrieb

Springer Verlag

Websites

Vom Problem zur Lösung: Pooling und Pipelining

Talent-Pools sind Auswahllisten geeigneter Kandidaten, die für eine zukünftige Rolle im Unternehmen in Frage kommen, auch wenn sie noch nicht zum Mitarbeiterkreis gehören. Bei einzelnen und kleineren Firmen werden diese aus ausschließlich externen Kontakten bestehen. Optikhersteller und Ketten jeder Größe sollten immer auch ihr internes Pooling forcieren, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.

Schließlich muss eine Spitzenfilialleitung nicht nur technische Expertise besitzen, sondern auch kaufmännisch versiert, eine Führungs-persönlichkeit und ein sozialkompetenter Kundenmagnet sein. Und da ist nichts günstiger und leichter, als die geeigneten Menschen schon da zu haben, wo man sie braucht: im eigenen Haus.

Die Vorteile des Poolings liegen auf der Hand: Zeit- und Kostenersparnis bei der Rekrutierung, intensiverer Zugang zu passiven Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt sowie die perspektivreiche Kontaktpflege mit früheren Kontakten, bei denen es seinerzeit nicht zu einer Anstellung kam. Zudem stärkt man damit seine Position gegenüber attraktiven Konkurrenten mit hohem Bewerberzustrom und verbessert die eigene Reputation und die positive Wahrnehmung des Unternehmens. 

Was sind Talent-Pools?

Bei den interessanten Adressaten für das externe Pooling handelt es sich allerdings nicht um aktive Bewerber, weil bei der Kontaktaufnahme noch keine vakanten Stellen existieren, die den gebotenen Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechen. Ebenso kann es sein, dass eine Position verfügbar, aber der Kandidat aktuell nicht wechselbereit ist. In beiden und anderen denkbaren Fällen, werden die spannenden Kontakte nicht fallengelassen, sondern aktiv weiter betreut.

Der Vorteil dieser aktiven Pooling-Strategie liegt darin, dass der Talent-Relationship-Prozess nicht jedes Mal von Neuem beginnt, wenn Personal benötigt wird. Die Vorausplanung, wo und wann regelmäßiger oder kritischer Mitarbeiterbedarf entsteht, erlaubt es, frühzeitig Beziehungen zu talentierten und qualifizierten Kandidaten zu knüpfen. Auf diese Weise gelingt es, bei einem neuen personellen Engpass schnell auf vorselektierte Kandidaten zuzugehen, die gerne über einen etwaigen Einstieg sprechen wollen.

Konkrete Zielvorstellungen für ein erfolgreiches Talentmanagement

Damit Talent-Pools den erhofften Nutzen bringen, müssen diese bewusst und anhand einer konkreten Zielvorstellung aufgebaut werden. In größeren Organisationen sind Pools auf einen bestimmten Stellentyp, eine Abteilung, eine Führungsebene oder ein erklärtes Geschäftsziel ausgerichtet. Bei kleineren, unter anderem solchen des Handelns oder der Dienstleitung vor Ort, wie es auch bei Optikern der Fall ist, wird es in der Regel nicht so sehr auf Rollen, sondern auf einen bestmögliche Mix benötigter Kompetenzen ankommen.

Überschreitet ein Unternehmen wegen Größe, Art, Bedeutung oder Kundeneinzugskreis die lokalen Grenzen, ist Regionalität zwar hilfreich, aber heutzutage nicht das wesentliche Kriterium, wenn die passenden Topleute knapp und überall im Land verstreut sind. Bei einem Optikbetrieb mit zwei Schwesterfilialen außerhalb verlockender Metropolen wird sich der Suchbereich im Normalfall auf daher auf eine nahe bis mittlere Entfernung beschränken.

Die Talente sind da. Aber wo sind sie zu finden?

Unabhängig von der personellen oder wirtschaftlichen Stärke sowie der geografischen Ausbreitung der Organisation sind diebesten Anknüpfungspunkte für das Pooling sehr vergleichbar.

Ein wichtiges, oft vernachlässigtes Feld sind Bewerber, die früher einmal nicht zum Zuge kamen oder sich selbst für Alternativen entschieden haben. Weil Menschen sich ändern, ihre Qualifikation und Erfahrung wächst, aber auch berufliche und familiäre Pläne nicht in Stein gemeißelt sind, können Verbindungen, die früher noch nicht reif waren, später zu Erfolgsgeschichten werden.

Logischerweise gehören auch die sozialen Medien zu wichtigen Quellen, wenn ein Pool zu füllen ist. Viele Mitarbeiter kennen Kolleginnen und Kollegen, zu denen sie Kontakt für eine lockere Anbindung an ihren Arbeitgeber aufnehmen können. Ein offenes Ohr für externe Empfehlungen gehört ebenso dazu, wie Karrieremessen, vor allem aber auch branchenbezogene Events. Zu diesen gehören unter anderem auch die eingangs erwähnten Weiterbildungen, bei denen eigene Mitarbeiter zu Botschaftern ihres Arbeitgebers werden können. Solche Methoden sind keineswegs unfair, wenn man das Konkurrieren um die besten Talente ähnlich wie das um die Kunden sieht – denn die Wirtschaft ist naturgemäß ein Pflaster des Wettbewerbs.

Pipelining – aus Namen in Dossiers werden Mitarbeiter

Talent-Pipelines sind die Mechanismen, durch die aus den Mitgliedern von Talent-Pools Firmenangehörige und Teammitglieder werden. Aus den Namen auf einer Liste werden qualifizierte Kandidaten, die rasch in unternehmenskritische Rollen schlüpfen können, die geplant oder unerwartet frei geworden sind. Dieser Prozess beginnt schon beim Pooling, wo für jedes Mitglied des externen Talent-Pools ein ausführliches Dossier angelegt wird. Dieses enthält neben üblichen Standarddaten auch Angaben darüber, was die betreffende Person ursprünglich für den Talent-Pool interessant machte.

Im Folgeschritt geht es darum, den Kontakt zu den akut interessanten Personen so zu intensivieren, dass das Unternehmen als die beste Wahl unter den heute zahlreichen Alternativen aktiv beworben wird. Die Einstellungsverantwortlichen müssen lernen, ihr Angebot mit verkäuferischen Methoden unwiderstehlich zu machen. Dazu gehört die mitunter schmerzhafte Einsicht, dass die Zeit der Schlange stehenden Bewerber vorbei und dass die Rollen in der Fachkräftekrise vertauscht sind. Die Vorteile der neuen Strategie liegen jedoch auf der Hand, denn das Unternehmen schafft damit ein Dialoginstrument, das persönliche Verbindungen ermöglicht. Wie funktioniert das konkret? Zum Beispiel, indem man exklusive Events und Gelegenheiten für die Netzwerkpflege kreiert und das Knüpfen von Beziehungen in den Vordergrund stellt, wie beispielsweise mit speziellen Mittagessen oder privilegierten Vor-Ort-Besichtigungen.

Außerdem präsentiert sich das Unternehmen idealerweise auch auf den richtigen Branchen-Events und Konferenzen, um gesehen zu werden und am Puls der Branche präsent zu sein. Zudem ist das Unternehmen auf relevanten Social-Media-Plattformen aktiv und stärkt damit seinen Ruf als engagierter und interessierter Arbeitgeber. Sind diese Instrumente dauerhaft und intensiv gepflegt aktiv, ist es von der Vakanz zur Anstellung nicht mehr weit, wobei im vorletzten Schritt auf eine belastbare und objektive Eignungsdiagnostik nicht verzichtet werden sollte. 

Mit Pools und Pipelines im Wettbewerb nach vorne

Pools und Pipelines sind ein effizienter Weg, von der üblichen Verzweiflungsrekrutierung unter Zeitdruck wegzukommen. Sie begründen ein strategisches Beziehungsmanagement, mit dem selbst im härtesten Talentumfeld ein schneller Zugriff auf Topkandidaten möglich und die Rekrutierung erfolgreich wird.

Unternehmen, die sowohl extern als auch intern erfolgreich poolen und pipelinen, können die Fachkräftekrise meistern und einen spürbaren Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb machen.


Sie könnten auch unsere 1:1-Masterclasses relevant finden.